2008 trat das Kinderbildungsgesetz (KIBIZ) NRW in Kraft. Es regelt seitdem die Kinderbetreuung in NRW. Kaum ein anderes Gesetz wurde von so langen und nachhaltigen Diskussionen begleitet, wie dieses. So wurde es als das Gesetz beschrieben, dass die Betreuung auf die Bedürfnisse der Kinder und Eltern „maßgeschneidert“ zuteilen kann. Es wurden Stundenkontingente von 25 über 35 hin zu 45 Stunden pro Woche festgelegt. Die Realität in den Kommunen hat jedoch sehr schnell gezeigt, dass dieses Konzept in der Praxis kaum umsetzbar ist. Besonders in der Kritik steht seit der Einführung die Betreuungspauschale, die Armin Laschet, damals noch Familienminister, eingeführt hat. Diese Pauschale lässt die Träger mit einem Defizit bei den Personalkosten zurück.
Die enge Personalsituation hat in der Realität außerdem verheerende Auswirkungen: auf eine Erzieherin im Ü3 Betrieb kommen 10 Kinder. Eine Betreuerin hat somit rund 23 Minuten individuelle Betreuungszeit für jedes Kind über den Tag verteilt. Diese wenige Zeit wird oft noch durch einen Umstand verkürzt: Fällt ein*e Erzieher*in krankheitsbedingt aus, gibt es in der Regel keine Vertretung, da die Personaldecke in den Einrichtungen viel zu dünn ist.
Massiver Personal- und Betreuungsplatzmangel
Im Mai hat die schwarz-gelbe Landesregierung nach langem Warten einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Kibiz NRW veröffentlicht. Die Änderungen sollen zum Kindergartenjahr 2020/2021 in Kraft treten. Trotz angekündigter Verbesserungen hagelt es aus den Fachverbänden und vor allem aus den Reihen der Erzieher*innen es Kritik. Zurecht!
Das größte Problem ist nach wie vor zu wenig Personal bei stetiger Ausweitung der Betreuungszeiten. Die reellen Personalkosten und die Erstattungen aus der Pauschale gehen immer noch weit auseinander. Die Sachkosten steigen immens. Auch darauf gibt der Entwurf von FDP-Familienminister Stamp keine ausreichende Antwort.
Summa summarum: Es fehlen in NRW tausende Betreuungsplätze und hunderte Erzieher*innen! Es ist an der Zeit nicht nur nachzubessern sondern neu zu justieren.
Landesregierung muss endlich handeln – für bessere Arbeitsbedingungen
Die Gesetzesänderung muss im Wesentlichen eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten schaffen. Auf der einen Seite sind finanzielle und personelle Rahmenbedingungen in den Kitas seit Jahren unverändert. Auf der anderen Seite müssen Erzieher*innen immer mehr Aufgaben übernehmen. Beispielhaft seien insoweit Dokumentationspflichten, Inklusion und Sprachförderung genannt. Es muss endlich eine Qualitätsverbesserung möglich sein, um dem Auftrag frühkindliche Bildung, unter den Bedingungen des weiteren Kita-Ausbaus, gerecht werden zu können.
Die SPD-Fraktion im nordrheinwestfälischen Landtag fordert zutreffender Weise – vor allem im Hinblick auf das Gute-Kita-Gesetz aus Berlin- eine grundlegende Reformierung des KIBIZ-Gesetz NRW. Sie fordert weiterhin die Gebührenfreiheit, die dank der Berliner Gesetzgebung auch endlich für NRW umsetzbar ist.
Erstmals ist ein Zuschuss für Personal vom Bund möglich. Dieser soll dafür sorgen, dass nicht nur Quantität bei der Kinderbetreuung eine Rolle spielt, sondern – die noch wichtigere – Qualität der Betreuung gewährleitet und verstärkt werden kann! Dies gilt es zum Wohle der Kinder, Erzieher*innen und Eltern zu nutzen! Denn es fehlen überall Erzieher*innen! Jetzt – nicht erst 2020/21.
Auch Leverkusen braucht gute Kitas und mehr Erzieher*innen
Aus Leverkusener Sicht können wir diese Forderung auf Landesebene nur unterstützen. Auch hier fehlen jedes Jahr mehr Betreuungsplätze und die Prognosen anhand der geburtenstarken Jahrgänge der letzten vier Jahre und dem Zuzug von Familien aus dem Umland nach Leverkusen lassen für die kommenden Kitajahre weiter wachsende Betreuungsbedarfe erkennen.
Dabei besteht ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. In Leverkusen haben für das kommende Kitajahr bis Mai 2019 907 Familien ihren gesetzlichen Anspruch auf einen Betreuungsplatz geltend gemacht. Diese werden alle bedient, jedoch kann Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz auch heißen, dass man für einen Platz ohne Mittagessen durch die halbe Stadt fahren muss. Für viele Familien ist das verständlicherweise nicht zufriedenstellend. Denn dieser Mangel geht auf Kosten der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Keine Erzieher*innen- keine gesicherte Betreuung!
Die städtischen Einrichtungen suchen stetig neue Erzieher*innen. Es bleiben zum aktuellen Kitajahr auch in Leverkusen viele Stellen unbesetzt. Auch Ergänzungskräfte für Kitas werden händeringend gesucht. Dementsprechend können weniger Plätze zur Verfügung gestellt werden.
Aber nicht nur die städtischen Einrichtungen, sondern auch die Einrichtungen der freien Träger suchen ständig neue Mitarbeiter*innen. Selbst wenn beispielsweise die AWO eine neue Kita bauen würde, könnte auf Grund der engen Personaldecke ein vollumfänglicher Betrieb nicht ab Inbetriebnahme sichergestellt werden.
Neben neuen Wegen in der Ausbildung müssen wir uns auch für die jetzigen Erzieher*innen einsetzen. Dieser Personenkreis hat eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe und arbeitet seit Jahren am Limit. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf kann nur mit einer qualitativ hochwertigen Kinderbetreuung funktionieren. In vielen Bereichen der Arbeitswelt sind erwerbstätige Eltern, und hier besonders die Mütter, im hohen Maße abhängig von der Betreuungssituation ihrer Kinder und richten ihren Arbeitsumfang danach aus. Eine gute Förderung unserer Kleinsten zahlt sich zudem im Grundschulalter positiv aus. Wir setzen uns für eine bessere Bezahlung und bessere Rahmenbedingen für Erzieher*innen ein.
Es müssen endlich die Ausbildungsbedingungen attraktiviert werden, damit es möglich wird, den Fachkräftebedarf zu decken: Allein in NRW fehlen laut Bertelsmann–Studie 2018 15.536 Erzieher*innen und 2.870 Kita-Leitungen.
Die SPD-Landtagsfraktion fordert neben einer langfristigen Ausbildungsinitiative sofortige Maßnahmen zum nächsten Kitajahr! Die Ausbildungsbedingungen unserer Erzieher*innen müssen dringend verbessert werden, die Ausbildung endlich attraktiv werden! So wäre beispielsweise ein Schwerpunkt auf die vergütete sog. praxisintegrierten Ausbildung (PiA) zu legen, die auch in Leverkusen gestartet ist. Denn wer eine Ausbildung zur Erzieherin oder zum Erzieher anfängt, soll dafür nicht sein Erspartes aufbrauchen müssen, sondern Geld dafür bekommen. Aus der vollschulischen muss eine echte duale Ausbildung werden. Damit die Ausbildung künftig nicht nur gebührenfrei wird, sondern eine Ausbildungsvergütung geschaffen wird.
PIA ist die Zukunft der Ausbildung von Erzieher*innen. Denn es ist nicht nur für die Auszubildenden wichtig, auch während ihrer Ausbildungszeit nicht auf staatliche, oder familiäre Unterstützung angewiesen zu sein. Mit PIA sind die Auszubildenden bereits von Anfang an Betanddteil des Unternehmens. Dies schafft Bindungen und Perspektiven, sowohl für die Auszubildenden, als auch für die Träger.
In diesem Sinne, in 14 Tagen mehr! Immer mittwochs, immer politisch, immer aktuell!
Parteivorsitzende der SPD-Leverkusen Aylin Doğan