Leverkusen ist eine sich dynamisch entwickelnde Stadt mit guten Zukunftsprognosen in einer boomenden Region. Doch nicht nur die Lebensqualität wächst, auch die Zahl prekär beschäftigter Menschen nimmt zu und die Schere zwischen Arm und Reich geht auseinander. Tagtäglich lassen sich tausende Leverkusener*innen ihre Waren per Paketbote liefern. Was bequem für die Kund*innen ist, ist harte Arbeit für die Zusteller*innen.
Die Ausbeutung von Paketboten ist nicht hinnehmbar
4,50 Euro bis sechs Euro pro Stunde, nicht gezahlte Sozialversicherungsbeiträge, illegale Beschäftigung, Verstöße gegen den Mindestlohn – diese Dinge sind an der Tagesordnung in der Paketbranche. Wie kaum eine andere steht sie damit für unsoziale Ausbeutung von Arbeitskräften, die tagtäglich Vollzeit arbeiten und dennoch am Existenzminimum leben. Sowohl ein jeder von uns, als auch die Politik müssen diese Zustände endlich wirkungsbvoll bekämpfen und stoppen.
Die absurden Auswüchse des Onlinehandels
Der Onlinehandel boomt. Die Zahl der verschickten Pakete steigt rasant. Insgesamt gaben die Verbraucher*innen nach der Studie „Online Monitor 2019“ des Handelsverbandes Deutschland (HDE) zufolge, im vergangenen Jahr mehr als je zuvor im Internet aus. 53,3 Milliarden Euro und damit rund 4,4 Milliarden Euro mehr als im Vorjahr. Durch die Bestellmentalität der Deutschen hat sich ein riesiger Markt für Firmen wie die Post-Tochter DHL, DPD, UPS, Hermes, GLS und weitere kleinere Konkurrenten eröffnet. Dieser ist mit einem enormen Preisdruck verbunden, insbesondere wegen der Gratisversand-Modelle und der vielen Retouren. Während DHL und UPS weitgehend mit festen Mitarbeitern arbeiten, vergeben andere Aufträge an Subunternehmer. Dadurch entsteht häufig eine unübersichtliche Beauftragungskette, zum Leidwesen der Paketfahrer.
Beitragsehrlichkeit, soziale Absicherung und fairer Wettbewerb
Wer tagtäglich Pakete schleppt, muss sich darauf verlassen können, dass ihm oder ihr dabei der Rücken gestärkt wird. Denn die Nutzung des Onlinehandels durch die Verbraucher hat verheerende Folgen. Die Digitalisierung darf nicht weiter auf dem Rücken von Paketbote*innen austragen werden.
Darauf muss die Politik Antworten finden. Eine davon ist die Nachunternehmerhaftung, mit der endlich die Ausbeutung von Paketboten gestoppt wird.
Die Große Koalition folgt der Initiative von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und sorgt mit der Nachunternehmerhaftung dafür, dass endlich die Ausbeutung von Paketboten gestoppt wird.
Dadurch werden große Paketdienste bald verpflichtet, für nicht gezahlte Sozialabgaben ihrer Subunternehmer aufzukommen. Damit wird nun auch in der Paketbranche Lohndumping und Tricksereien mit dem Mindestlohn ein Riegel vorgeschoben. Die Nachunternehmerhaftung sorgt für Beitragsehrlichkeit, die soziale Absicherung aller Paketzusteller*innen und zugleich für einen fairen Wettbewerb.
Eine Nachunternehmerhaftung – für den der Mindestlohn gilt – mit entsprechender Haftung für Sozialbeiträge wurde zunächst in der Bauwirtschaft eingeführt, später dann auch in der Fleischindustrie. Die guten Erfahrungen in diesen Branchen müssen Vorbild sein für die Paketbranche.
Onlinehandel – Umwelt- und Verbrauchersünde
Eins dürfen wir bei der politischen Diskussion über Ausbeutung und unsoziale Beschäftigung nicht vergessen: unsere eigene Verantwortung. Wir Verbraucher säen die Saat der Ausbeutung durch unser Konsumverhalten. Noch nie wurde durch die deutsche Bevölkerung soviel Ware im Internet bestellt we im vergangenen Jahr, Tendenz steigend. Dass diese vor allem mit LKW über deutsche Autobahnen transportiert wird, blenden die Verbraucher*innen hierzulande gern aus. Im Gegenzug sind alle alarmiert, wenn bekannt gegeben wird, dass in NRW 4.000 LKW Stellplätze auf Autobahnen fehlen und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Leverkusen mit einer neuen Rastanlage innerhalb des Stadtgebietes konftontiert wird. Bis zum Jahr 2030 wird der LKW Verkehr bundesweit um weitere 39 Prozent ansteigen. Jede vierte Fahrt eines LKW in Deutschland ist eine Leerfahrt. Die Logistikzentren von Amazon befinden sich zum Großteil in Tschechien und Polen. Allein für das Verpacken der Ware schickt Amazon also jeden LKW zweimal über deutsche Straßen. Anlass genuga, endlich effektiv das eigene Konsumverhalten zu überdenken und zu ändern.
Als SPD arbeiten wir an der Umsetzung lebendiger Quartiere, mit einer funktionierenden Nahversorgung und einem attraktiven Freizeitangebot. Lebensräume in denen man sich gerne aufhält, einkauft und Nachbarn trifft, ersetzen nicht nur anonyme Onlineeinkäufe, sie sind auch ein Weg hin zu einer besseren Umwelt. Jeder LKW, der die A1 oder A3 nicht passiert, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Sichern wir unseren Einzelhändlern die Existenz, fördern wir den Wohlstand unserer Stadt und machen wir Raststätten auf der grünen Wiese überflüssig.
Deutsche Großstädte, auch Leverkusen sind voll von Conceptstores, Unverpacktläden und regionalen Anbietern, bei denen wir faire Ware bekommen. Ohne Zwischenhändler haben diese Waren den Weg ins Sortiment gefunden. Jeder Einzelhändler kann uns Auskunft darüber geben, wo die Ware hergestellt wurde, unter welchen Bedingungen sie hergestellt wurden und ich kann sie, ohne sie im Netz bestellen zu müssen sofort vor Ort erwerben. Was bitte spricht dagegen, den örtlichen Einzelhandel zu stärken? Was spricht dagegen, darauf zu verzichten für Onlinebestellungen LKW über Autobahnen zu jagen, die obendrein für eine nicht zu verantwortende Umweltsünde stehen? Was spricht dagegen, durch bewusstes Konsumverhalten eine starke regionale Wirtschaft zu fördern und gleichzeitig prekäre Beschäftigung durch den Onlinehandel zu verhindern? Nichts! Es ist an der Zeit, dass der Massenkonsum aus dem Netz eingestellt wird und Kaufentscheidungen wieder bewusst gefält werden. Zum Wohle der Gesellschaft und zum Wohle der Umwelt.
In diesem Sinne, in 14 Tagen mehr! Immer mittwochs, immer politisch, immer aktuell!
Parteivorsitzende der SPD-Leverkusen Aylin Doğan