Ein Beitrag zum Praktikum von David Zentgraf:
Fangen wir mal etwas unkonventioneller an, um mit gängigen Vorurteilen aufzuräumen.
Was macht ein Praktikant der SPD im Rathaus?
Er hält den Stuhl warm, bis der Oberbürgermeister endlich eine Entscheidung trifft.
Ob das der Realität entspricht und die klischeehaften Erfahrungen meiner Kommilitonen somit zutreffen oder ob ich tatsächlich ein interessantes und abwechslungsreiches Praktikum schlussendlich gemacht habe, lasse ich an dieser Stelle noch offen.
Fangen wir am Anfang an.
Als Bachelorstudent der „Internationalen Beziehungen“ beschäftige ich mich in meinem Alltag fast ausschließlich mit internationaler Politik und kaum mit Politik auf Bundes-, Landes-, ganz zu schweigen von der kommunalen Ebene. Der Umstand ein 8-wöchiges Pflichtpraktikum ableisten zu müssen sowie um das fehlende, jedoch grundlegende Wissen auf kommunalpolitischer Ebene nachzuholen bewarb ich mich bei der SPD-Fraktion in meiner Heimatstadt Leverkusen. Erstaunlicherweise vergingen zwischen dem Zeitpunkt meiner Bewerbung und dem Vorstellungsgespräch nur wenige Tage und auch eine Rückmeldung ließ nicht lange auf sich warten.
Ein herzlicher Empfang
Vor meinem Praktikum hatte ich schon vieles bezüglich der Praktika von Kommilitonen (außerhalb der SPD) gehört und was ich hörte, begeisterte mich ganz und gar nicht. So waren Tätigkeiten wie Kaffeekochen bis hin zum Putzen der Büro Toiletten alles mit dabei. Klischees, aber teils noch traurige Realität wie es scheint. Ganz anders bei mir in der SPD-Fraktion der Stadt Leverkusen. Zwiegespalten blickte ich folglich meinem Praktikum entgegen.
Nur am Stuhl Warmhalten?
Bereits am ersten Tag wurde ich herzlich von Anja und Julian empfangen, bekam einen Stuhl zugewiesen und einen Überblick über meine zukünftigen Aufgaben. Die anfängliche Unsicherheit mit der vermutlich jeder Student sein Praktikum beginnt verschwand sofort. Das lag wohl daran, dass ich als Student ohne jegliche Praxiserfahrung, keine wirklich greifbare Vorstellung von meinen Tätigkeiten hatte und von vielen unangenehmen Erfahrungen in meinem Umfeld gehört hatte und Stühle warmzusitzen war so ziemlich das harmloseste darunter.
Was ich ebenfalls schnell zu schätzen lernte war der hohe Grad an Vertrauen und Selbstständigkeit den man mir entgegenbrachte. So hatte ich mein eigenes Büro, in dem man mir nicht ständig auf die Finger schaute, sowie regelmäßiges Feedback bezüglich erledigter Aufgaben. So saß ich zwar die meiste Zeit zwar in bequemen Stühlen, aber vom Warmhalten kann keine Rede sein, da ich von Tag 1 vollkommen in die Fraktionsarbeit integriert wurde. Bei Fragen konnte ich mich jederzeit an Julian oder Anja wenden. Positiv überraschte mich auch die technische Ausstattung des Büros welche ein Tablet zum mobilen Arbeiten und zwei weitere Bildschirme im Büro umfasste. Das machte das Arbeiten noch komfortabler.
Mein Arbeitsalltag
Mein Tag begann üblicherweise um 9 Uhr und startete mit dem Erstellen des Pressespiegels. Das heißt ich las Zeitungen und fasste die wichtigsten Artikel zusammen, damit die Fraktionsmitglieder immer auf dem neusten Stand sind. Zurückblickend war das die einzige Konstante in meinem Praktikum. Ansonsten war kein Tag wieder der andere. So erstellte ich nicht nur Social Media Postings oder bearbeitete Bürgeranfragen. Ich bereitete Anträge vor, aktualisierte Listen und begleitete parteiinterne Termine. Auch hier kann nicht vom Stuhl Warmhalten die Rede sein.
Ein Blick hinter die Kulissen
Letzteres fand ich besonders spannend, da es mir Einblicke in die Funktionsweise der Fraktion auf kommunaler Ebene ermöglichte, die ich sonst nie gehabt hätte. Diese Termine umfassten Ratssitzungen, Pressetermine, Arbeitskreise und Sitzungen der SPD-Fraktion sowie des SPD-Fraktionsvorstands.
Ein willkommener Ausflug ins Graue
Auch Ortstermine galt es ab und zu einmal wahrzunehmen. So war es beispielsweise eine Begehung der Baustelle auf der A1, die mein Interesse weckte. Schließlich fährt man nicht jeden Tag im Konvoi über Sperrflächen hin zur Baustelle und läuft auf der Autobahn rum während wenige Meter daneben die Autos an einem vorbeirasen. Noch interessanter war allerdings die Nachbesprechung mit der Autobahn GmbH, in der es detailliert um den Ausbau und mögliche Umsetzungsvarianten ging. Auch die Teilnahme an der Leverkusener Gedenkveranstaltung anlässlich der Reichskristallnacht war nicht nur programmlich, sondern auch zwischenmenschlich bereichernd.
Meine Highlights
Zu meinen Highlights gehört definitiv die Besprechung und der anschließende Pressetermin mit Gesundheitsminister Karl Lauterbach sowie das Wahrnehmen der zahlreichen Termine, welches mir interessante Einblicke in das kommunalpolitische Geschehen ermöglichte und über die übliche nachrichtliche Berichterstattung hinausgehen beziehungsweise diesen auch einiges vorwegnahm. So wurde das massive Haushaltsdefizit Leverkusens, Corona-Altlasten sowie die Chemiebranche als wichtigen Wirtschaftspfeiler Leverkusens thematisiert. Anders als man vielleicht denken mag, ist der Austausch zwischen Kommunalebene und Bundesebene enger und detaillierter als gedacht. Lauterbach sprach sich dabei für eine faire Regelung zur Abtragung der Corona Altlasten aus, welche der Schuldenbremse nicht im Weg stehen dürfe, sowie die Notwendigkeit für politischen Rückenwind für die Chemiebranche, um den Wirtschaftsstandort Leverkusen zu Erhalten und zu Stärken. Das Fazit: Wachstum als Notwendigkeit als Ausweg aus der hohen Verschuldung.
Ein paar abschließende Worte
Zusammenfassend habe ich die Zeit als Praktikant als sehr bereichernd wahrgenommen, da ich umfassende Einblicke in das kommunalpolitische Geschehen bekommen habe. Nicht selten fühlte ich mich mehr Kollege als Praktikant, was sicherlich auch am äußerst freundlichen Umfeld lag. Wer während seines Praktikums wirklich etwas lernen möchte, ist hier genau richtig. Um auf den Witz vom Anfang zurückzukommen, unzutreffender könnte dieser nicht sein.