Für den Laien ist der städtische Haushalt ein Buch mit sieben Siegeln. SPD-Fraktionschefin Milanie Kreutz entschlüsselt ihn. Und sagt, was die Pandemie für die Finanzen bedeutet.
Oberbürgermeister Uwe Richrath und Kämmerer Markus Märtens haben den Haushalt 2021 eingebracht. Jetzt beraten die Ratsgremien darüber. Das umfangreiche Zahlenwerk erschließt sich dem Laien nicht sofort. Milanie Kreutz ist Fraktionschefin der SPD und finanzpolitische Sprecherin ihrer Partei. Sie kennt sich aus.
Was macht diesen Haushalt besonders?
MILANIE KREUTZ Der Haushalt 2021 steht natürlich unter dem Zeichen der Corona-Pandemie. Diese Jahrhundertkrise macht auch vor den städtischen Finanzen nicht halt. Schon im letzten Jahr musste viel Geld ausgegeben werden, um Hygienekonzepte umzusetzen und zum Beispiel die Digitalisierung der Stadtverwaltung voranzutreiben. Ebenso musste Personal im Gesundheitsamt aufgestockt werden, um den Herausforderungen gerecht zu werden. Diese Besonderheiten zeigen sich auch im Haushalt 2021.
Wofür gibt die Stadt ihr Geld aus?
KREUTZ Einen besonderen Schwerpunkt setzten wir seit Jahren auf den Aus- und Neubau von Kindertagesstätten, sowie auf die Ertüchtigung und ebenso Neubauten von Schulgebäuden. Die soziale Infrastruktur ist in Jahre gekommen, und es bedarf dringender Investitionen, um diese für die Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte fit zu machen. Ein weiteres Augenmerk legen wir darauf, dass unsere Stadt sicher und sauberer wird. Der Aufbau des kommunalen Ordnungsdienstes und eines Reinigungsprojektes für unsere Radwege durch die MitarbeiterInnen der JOB Service Leverkusen sind hier herauszuhebende Beispiele. Die weitaus größten Anteile im städtischen Haushalt bilden jedoch die sogenannten Transferaufwendungen. Hierunter fallen etwa zahlreiche Sozialleistungen wie Grundsicherung, Wohngeld und Unterhaltsvorschlussleistungen. Darüber hinaus muss natürlich auch das städtische Personal bezahlt werden, welches die zahlreichen Aufgaben der Stadtverwaltung und Bürgerdienstleistungen managt.
Der Personalaufwand ist in den vergangenen zehn Jahren um rund 50 Millionen Euro gestiegen. Sehen Sie Sparpotenziale?
KREUTZ Das stimmt. Die Personalaufwendungen sind gestiegen, obwohl im Rahmen der Sanierung des Haushaltes viele Stellen eingespart und Leistungen verringert wurden. Im gleichen Zuge sind in den Jahren aber auch Aufgaben vom Bund und Land auf die Städte übertragen worden. Auch der Ausbau der Kindertagesstätten hat zu zahlreichen Einstellungen neuer ErzieherInnen geführt. Ebenso wurde aktuell wegen der Corona-Pandemie das Personal im Gesundheitsamt aufgestockt. Auch dieses schlägt sich natürlich in der Haushaltsplanung 2021 nieder. An vielen Stellen unserer Verwaltung zeigt sich mittlerweile aber, wie wichtig gutes und motiviertes Personal ist. Ebenso wird immer deutlich, dass es an bestimmten Stellen auch an den notwendigen Personalkapazitäten mangelt. Unter anderem muss sichergestellt werden, dass die Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger zeitnah und effizient abgearbeitet werden können. Dazu brauchen wir ausreichend Personal unter anderem im Bürgeramt, Straßenverkehrsamt und den sozialen Bereichen.
60 Millionen Euro hat die Stadt 2020 in Pandemie-Kosten investiert. Ein vom Land genehmigtes Abschreibungsmodell auf 50 Jahre soll das strecken. Bezahlt werden muss es dennoch. Kann Leverkusen das allein tragen?
KREUTZ Die Jahrhundertpandemie hat uns alle vor besondere Herausforderungen gestellt. Noch viel mehr als jede Finanz- oder Wirtschaftskrise der letzten Jahrzehnte wird unsere Gesellschaft vor eine harte Aufgabe gestellt. Die Last muss auf mehrere Generationen verteilt werden. Die Schulden mussten aufgenommen werden, um fatalere Folgen für die Zukunft zu vermeiden. Die Entscheidung des Landesgesetzgebers für die Isolierung der „Corona-Kosten“ und das 50-jährige Abschreibungsmodel erhält aktuell die finanzielle Freiheit der Städte. Ohne dieses Modell würden nahezu alle Städte finanziell überfordert werden. Da die Corona-Pandemie keine durch die Städte verursachte Situation ist, müssen die Kosten gesamtgesellschaftlich getragen werden. Neben den zahlreichen Altschulden der Kommunen müssen sich der Bund und das Land Gedanken machen, wie diese Kosten langfristig beglichen werden können.
Wo holt sich die Stadt ihr Geld?
KREUTZ Der größte Teil der städtischen Einnahmen ergeben sich aus Steuern. Ein Teil davon bilden die städtische Grundsteuer sowie die Gewerbesteuer. Für die Grundsteuer sind Einnahmen von 48,7 Mio. Euro und für die Gewerbesteuer 145 Mio. Euro geplant. Ebenso wird die Stadt an den Einnahmen der Lohn-/Einkommensteuer beteiligt. 2021 wird mit 85,7 Mio. Euro gerechnet. Dazu kommen 143 Mio. Euro aus Zuwendungen und allgemeinen Umlagen von Bund und Land zur Finanzierung zahlreicher kommunaler Aufgaben, sowie 86 Mio. Euro als direkte Kostenerstattungen für Aufgaben, welche die Stadt für Land und Bund umsetzt.
2020 hat Leverkusen den Hebesatz für die Gewerbesteuer gesenkt und ist von anderen Kommunen kritisiert worden. Zu Recht?
KREUTZ 2019 standen wir vor der Entscheidung: Wollen wir agieren oder reagieren? Wir können den Entwicklungen in unserer Nachbarschaft weiter zusehen oder unser Schicksal selbst in die Hand nehmen. Und wir haben damals gesagt: Wir wollen proaktiv in Erscheinung treten und die Attraktivität des Standortes Leverkusen auf Dauer sicherstellen.
Wir scheuen den Wettbewerb um den guten Wirtschaftsstandort Leverkusen mit dem Umland nicht. Durch die Attraktivierung des Standortes werden sich neue Unternehmen ansiedeln und alte sind schon zurückgekommen. Außerdem geht es natürlich darum, hier ansässige Unternehmen in der Stadt zu halten. Unternehmen und Investoren, die sich für Leverkusen entscheiden, müssen bei der Ansiedlung stärker unterstützt werden. Hier müssen wir unsere Serviceleistungen noch ausbauen. Mittelfristig werden die Einnahmen aus der Gewerbesteuer wachsen und sich positiv auf die Stadtfinanzen auswirken. Schon jetzt in der Corona-Krise zeigt sich der positive Effekt. 2020 ist in vielen vergleichbaren Städte die Gewerbesteuer um 30 bis 40 Prozent eingebrochen. Bei uns in Leverkusen sind es lediglich 26 Prozent gewesen. Hätte Corona uns nicht überrollt, dann wäre schon 2020 eine deutliche Steigerung der Gewerbesteuereinnahmen erwartbar gewesen. Auch der Ist-Vergleich mit den Vorjahren kann sich sehen lassen. 2019 wurden 117,7 Mio. Euro eingezahlt, und trotz Krise sind es 2020 immerhin 94,5 Mio. Euro gewesen. Von den weiteren positiven Entwicklungen sollen in den nächsten Jahren auch die Bürgerinnen und Bürger profitieren. So ist jetzt schon beschlossen, dass die Grundsteuer bei steigenden Einnahmen der Gewerbesteuer sinken wird.
Wo sehen Sie mögliche Konfliktpunkte in der Haushaltsgestaltung?
KREUTZ Im Haushalt und der mittelfristigen Finanzplanung sind zahlreiche Investitionen geplant. Für 2021 wurden dabei vor allem Planungskosten eingestellt. Bei der zeitlichen Abfolge der Umsetzungen sind sicherlich Konflikte zu erwarten. Insgesamt fehlen personelle Kapazitäten, und auch die ausgelastete Bauwirtschaft wird eine schnelle Umsetzung erschweren. Darüber hinaus gibt es bei der Aufstellung eines Haushalts auch immer Konfliktpotentiale bei den Mittelanmeldungen und Wünschen der Dezernate. Auch die Einnahmepotentiale der städtischen Gesellschaften können zu Konflikten führen. Für mich ist klar, dass wir ein gemeinsames Aufgabenfeld zwischen der Stadtverwaltung und den Gesellschaften im Konzern Stadt bilden müssen. Nur in der Gesamtsicht lassen sich die städtischen Finanzen umfassend erfassen.
Die Schuldenlast drückt die Stadt weiter schwer, auch wenn sie über ein vergleichsweise hohes Eigenkapital verfügt. Hinterlassen wir unseren Kindern ein finanzielles Trümmerfeld?
KREUTZ Von einem Trümmerfeld kann man hier nicht sprechen. Die Corona-Pandemie ist ein Jahrhundertereignis. Ohne die Aufnahme dieser „Corona-Schulden“ wären wir in eine fatale Situation gekommen. Diese Entscheidung ist daher ein generationenübergreifendes Handeln gewesen und es wurde sowohl an heute und auch an morgen gedacht. Die Schulden werden ab 2025 mit etwa zwei Mio. Euro pro Jahr über 50 Jahre abgeschrieben. Besonders wichtig ist daher die Einnahmesituation für die Zukunft zu sichern und zu stärken. Mit Blick auf die Senkung der Gewerbesteuern und unsere starken kommunalen Gesellschaften sind wir gut aufgestellt.
Von Bernd Bussang / Rheinische Post Leverkusen
Foto: Miserius, Uwe (umi)