Ein Beitrag von Milanie Kreutz
Wie bereits 2022 fällt der Equal Pay Day auf den 07. März. Unverändert zum letzten Jahr verdienen Frauen in Deutschland durchschnittlich 18 Prozent weniger als Männer. Während Männer also seit dem 01. Januar ihr Gehalt beziehen, bekommen Frauen umgerechnet erst ab dem heutigen Tag Lohn für ihre Arbeit. Der Gender Pay Gap, also das Lohngefälle zwischen Mann und Frau, hat sich nicht verringert.
Warum ist das so?
Die Ursachen für diese Ungleichheit sind vielfältig und häufig miteinander verflochten. Entsprechende Studien[1] legen folgende Kernaspekte nahe:
- Bestimmte Rollenklischees sind noch immer in weiten Teilen der Gesellschaft verankert. Dies hat einen Einfluss auf die Berufswahl: Frauen sind häufiger im Bereich sozialer Dienstleistungen, also beispielsweise als Pflegerin oder Erzieherin beschäftigt, eine Branche in der Unterbezahlung herrscht, während in den von Männern dominierten Berufen meist überdurchschnittlicher Verdienst und Karrierechancen winken.
- Der Anteil von Frauen in leitenden Positionen ist weiterhin niedrig – bedingt durch eine Folge von Stereotypen, trägt dies gleichzeitig zur Aufrechterhaltung eben dieser Rollenbilder bei.
- Familienbedingte Unterbrechungen durch Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen sind weiterhin ein Karrierehindernis, welches besonders Frauen betrifft.
Wo ist es besonders schlimm?
Der Equal Pay Day 2023 steht unter dem Motto „Die Kunst der gleichen Bezahlung“ – denn der Wirtschaftszweig „Kunst, Unterhaltung und Erholung“ ist derjenige, in dem das Lohngefälle zwischen Mann und Frau am höchsten ist – ganze 30 Prozent.[2] Würde sich der Equal Pay Day nur auf die Kulturbranche beziehen, so fände er dieses Jahr erst nach 110 Tagen, also am 20. April statt. Doch woran liegt es, dass es grade in Kunst & Kultur solche enormen Unterschiede gibt, wo doch grade dieser Bereich eigentlich, wie kein anderer dafürsteht, die Probleme unserer Gesellschaft aufzuzeigen und zu überwinden?
Frauenfreundliche Kulturbranche?
Kern des Problems ist auch hier eine häufige Stereotypisierung, die zu einer Zuweisung von Frauen in Rollen und Genres mit verminderten Förderungschancen und Realisierungsaussichten führt.[3] Branchenspezifische Erfolgsfaktoren, wie Risikobereitschaft und Durchsetzungsvermögen, werden stereotyp oft eher Männern als Frauen zugerechnet. Die Kulturbranche hat meist familienunfreundliche Arbeitszeiten, ein Umstand, der Frauen in ihren Möglichkeiten einschränkt und dazu führt, dass der Anteil von Frauen in Führungspositionen im Kulturbereich deutlich geringer ist. Ein Beispiel dafür sind öffentlich finanzierte Orchester: Bei einem Frauenanteil von insgesamt 40 Prozent sind von bundesweit 63 künstlerischen Leitungen nur 10, von 129 Generalmusikdirektoren sogar nur 4 weiblich.[4]
Mehr Frauen ins Fernsehen
Eine weitere Quelle für Einkommenseinbußen ist die geringere Sichtbarkeit von Frauen, beispielsweise in der deutschen TV-Landschaft. So werden hier etwa nur 33 Prozent der Hauptakteure von Frauen dargestellt. Besonders stark ausgeprägt ist dieses Missverhältnis im Informationsfernsehen – lediglich 21 Prozent der gezeigten Experten sind Frauen. Auch im Kinderfernsehen liegt der Anteil der weiblichen Hauptakteure auch bei nur 28 Prozent.[5] Folgen sind die Aufrechterhaltung bestimmter Rollenbilder sowie geringere Einkommen.
Was wird dagegen getan?
Gezielte Förderung sowie eine erhöhte Sichtbarkeit von Kunst- & Kulturschaffenden Frauen, insbesondere in Führungspositionen und Hauptrollen, aber auch in Bildergalerien und Ausstellungen, sind ein Schlüssel für den Ausgleich des hier herrschenden Lohngefälles.
Um das Problem der ungleichen Bezahlung zu bekämpfen, müssen die jeweiligen Ursachen angegangen werden. Beispielsweise arbeitet ein größerer Anteil der Frauen (23 Prozent) als der Männer (16 Prozent) im Niedriglohnsektor. Die im Oktober letzten Jahres erfolgte Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro kommt also insbesondere Frauen zugute und stellt, neben anderen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Vorteilen, einen Schritt in Richtung gleichwertiger Bezahlung dar.
Tarifverträge und eine gleichberechtigte Verteilung der Care-Arbeit helfen
Ein weiterer Aspekt sind Tarifverträge. Diese sind nachweislich ein wirksames Mittel, um Angestellte nicht nur angemessen, sondern vor allem auch gleichwertig und transparent zu entlohnen. Das zeigt sich darin, dass die Entgeltlücke in Betrieben mit Tarifbindung zehn Prozentpunkte geringer ausfällt als in Betrieben ohne Tarifbindung.[6] Gleiche und transparente Bezahlung ist jedoch nur ein Mittel gegen die hier herrschende Ungleichheit. Eine der wichtigsten Ursachen für dieses Problem sind familienbedingte Unterbrechungen. Elternzeit oder die Pflege Angehöriger betreffen noch immer überwiegend Frauen, führen zu erhöhten Hemmnissen beim Wiedereinstieg ins Berufsleben und gehen meist mit deutlichen Einbußen bei der Gehalts- und Karriereentwicklung einher.
Ein positiver Blick in andere Länder
Ein Vorbild kann hier Schweden sein: Dort wurden bereits in den 1970er Jahren umfangreiche Maßnahmen getroffen, um Frauen und insbesondere Mütter stärker ins Erwerbsleben zu integrieren. In der Folge fällt der Gender Pay Gap in Schweden heute deutlich geringer aus als in Deutschland, auch sind Führungspositionen mit 43 Prozent deutlich häufiger von Frauen besetzt als bei uns (29 Prozent). Damit befindet sich Schweden diesbezüglich an dritter Stelle in der EU, Deutschland hingegen im unteren Drittel.[7]
Mehr Ideen für mehr Gleichberechtigung
Eine weitere Idee, um dem entgegenzuwirken, ist die Einführung des zweiwöchigen Vaterschaftsurlaubs, welche aktuell durch die Regierung umgesetzt wird und Familien die gerechte Aufteilung der Kinderbetreuung erleichtern soll. Eine weitere Maßnahme ist das vor wenigen Jahren beschlossene ElterngeldPlus, welches Eltern ermöglicht, bei verdoppeltem Bezugszeitraum des Elterngeldes in Teilzeit nebenher arbeiten zu können. Darüber hinaus kann der flexible Partnerschaftsbonus, aktuell bis zu vier zusätzliche Monate Elternzeit, beantragt werden, wenn beide Elternteile in dieser Zeit in Teilzeit arbeiten. Dies soll einen Anreiz schaffen, eine gerechte und ausgeglichene Verteilung von Kindesbetreuung und Erwerbstätigkeit zu etablieren.
Ein Fazit
Es lässt sich also feststellen: Es tut sich was! Wenn auch sehr langsam. Seit 2012 ist der Gender Pay Gap in Deutschland im Schnitt leicht zurückgegangen. Dennoch befinden wir uns im EU-Vergleich immer noch auf einem der letzten Plätze; nur Lettland, Estland und Österreich weisen hier eine noch größere Ungleichheit auf. Es müssen also weiterhin Maßnahmen erdacht und durchgesetzt werden, um die Bezahlung und Karrieremöglichkeiten von Frauen endlich denen der Männer gleichzusetzen und gesellschaftlich verankerte Stereotype und Rollenverteilungen zu überwinden. Denn nur so lassen sich geschlechterspezifische Verdienstunterschiede auch in der Zukunft verringern und dem Ziel der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern näherkommen. Dann, so lässt sich hoffen, kann der Equal Pay Day eines Tages am 01.01. stattfinden.
[1] Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 07.03.2022; 4. Atlas zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland: Auf dem Weg zur Entgeltgleichheit von Frauen und Männern.
[2] Statistisches Bundesamt, https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Verdienste/Verdienste-Verdienstunterschiede/Tabellen/ugpg-03-wirtschaftszweige-ab-2014.html
[3] Filmförderungsanstalt, 2017, Gender und Film – Rahmenbedingungen und Ursachen der Geschlechterverteilung von Filmschaffenden in Schlüsselpositionen in Deutschland
[4] Deutsches Musikinformationszentrum, 2021: Geschlechterverteilung in deutschen Berufsorchestern
[5] Prommer/Linke, 2017: Audiovisuelle Diversität? – Geschlechterdarstellungen in Film und Fernsehen in Deutschland
[6] DGB, 2022: klartext: Equal Pay? – Mit Tarifvertrag und guter Daseinsvorsorge!
[7] https://www.destatis.de/Europa/DE/Thema/Bevoelkerung-Arbeit-Soziales/Arbeitsmarkt/Qualitaet-der-Arbeit/_dimension-1/08_frauen-fuehrungspositionen.html#:~:text=Nur%20jede%20dritte%20F%C3%BChrungskraft%20ist,der%20F%C3%BChrungspositionen%20von%20Frauen%20besetzt
Bildnachweis: Eliza / photocase.de