Am 1.Mai 1890 gingen die ersten „Maispaziergänger“ und Arbeiterbewegungen weltweit für die Rechte der Arbeitnehmer*innen auf die Straßen. In Deutschland wurde der 1. Mai erstmals 1919 von der Nationalversammlung zum Feiertag erklärt.
Der Maifeiertag wurde im vergangenen Jahrhundert von Vielen instrumentalisiert. Im Dritten Reich missbrauchten die Nazis den Feiertag zu propagandistischen Zwecken. In der DDR wurden anlässlich des 1.Mai Festmärsche „von oben verordnet“.
Nach der Wiedervereinigung wurde es stiller um den Tag der Arbeit. Doch nun scheint für viele Arbeitnehmer*innen die Zeit gekommen, sich erneut auf den Straßen zu zeigen. Denn die Arbeitnehmer*innen fordern, unterstützt von den Gewerkschaften, Verbesserungen in ihrer Arbeitswelt. Sehr wohl hat die deutsche Arbeiterbewegung in 100 Jahren viel erreicht. Der 8-Stunden-Tag, die 5-Tage-Woche, die Gründung von Gewerkschaften, von gesellschaftlichen Zusammenschlüssen wie Arbeiterwohlfahrt oder ASB, Arbeits- und Kündigungsschutz, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und nicht zuletzt das Frauenwahlrecht. Es sind zahlreiche Gründe, die Anlass zum „Feiern“ geben. Am Ziel ist die Arbeiterbewegung aber noch längst nicht.
Soziale Antworten in einer digitalisierten und globalisierten Arbeitswelt
Wir kämpfen heute, anders als vor 100 Jahren, nicht mehr für die Einführung des 8h-Tag, aber wir kämpfen immer noch gegen Ausbeutung. Wir erleben seit ein paar Jahren, dass erneut mehr Menschen am 1. Mai den Weg zu den Protesten und Kundgebungen finden. Das zeigt uns: das Land braucht soziale Antworten auf die aktuellen Fragen der Zeit!
Die Digitalisierung verändert die Gesellschaft, im speziellen auch unsere Arbeitswelt. Berufe, die Jahrzehnte wie selbstverständlich existierten, wird es nicht mehr geben. Große Firmen bauen Stellen ab durch die Möglichkeit, Abläufe digital zu optimieren. Elektronische Steuererklärungen sind alltäglich geworden, autonom fahrende Autos werden es sein.
Vor allem Menschen, die aktuell schon in prekären Arbeitsverhältnissen tätig sind, werden von den Rationalisierungen betroffen sein. Wir blicken vermehrt auf „selbstständige“ Arbeitnehmer, deren soziale Absicherung völlig ungeklärt ist. Hier brauchen wir endlich einen neuen Arbeitnehmer*innenbegriff und gleichzeitig eine neue Definition des Betriebsbegriffes! Die Gewerkschaften müssen sich im Hinblick auf diese Herausforderungen neu erfinden, aber vor allem die Politik muss endlich eine Wende in der Arbeitsmarktpolitik hin zu einer sozialen Marktwirtschaft schaffen.
Der Niedriglohnsektor fordert seinen Tribut. Die Missstände im Pflege- und Gesundheitssektor treten immer deutlicher zu Tage. Mehrfachbeschäftigte Arbeitnehmer*innen sind inzwischen eher die Regel als die Ausnahme. Menschen, die eine Care-Tätigkeit in der Familie übernehmen, scheitern oft am Wiedereinstieg. Familien leben trotz Erwerbstätigkeit der Eltern am Existenzminimum. Die Bundesregierung gab in dieser Woche auf Anfrage bekannt, dass knapp 3,4 Millionen Vollzeitbeschäftigte in Deutschland weniger als 2000 Euro brutto verdienen. Hier findet ihr meinen Beitrag zur Steigerung des Wertes der Arbeit.
Das Motto für 2019: „Europa. Jetzt aber richtig“
Der DGB fordert in seinem offiziellen Aufruf für den ersten Mai ein, dass der Tag der Arbeit ein Tag der europäischen Solidarität sein muss. In jedem Land Europas solle es einen entsprechenden Mindestlohn geben. Dem können wir uns nur anschließen: denn nur auf europäischer Ebene können wir die „großen Fragen“ der Globalisierung und Digitalisierung lösen. Der Dumping-Wettbewerb zwischen den Mitgliedsstatten, der auf dem Rücken der Arbeitnehmer*innen ausgetragen wird, muss ein Ende haben!
Gute Arbeitsbedingungen, gute Löhne und gute Renten- für all dies gehen wir heute auf die Straße!
Lasst uns bald weiter diskutieren: immer mittwochs, immer aktuell, immer politisch!
Parteivorsitzende der SPD-Leverkusen Aylin Doğan